Am 2.8. online, bzw. am 3.8. in der Neuen Westfälischen Printausgabe fand sich der KommentarOpens external link in new window „Mehr Einsatz für die Zukunft“ von AMELIE FÖRSTER. Er war eine Antwort auf die formulierten Forderungen der LINKEN im Bezug auf die aktuellen Zahlen zur Kinderarmut in Europa. Wir haben darauf einen entsprechenden Leserbrief an die NW verfasst, der nun in stark gekürzter Form (25.8.) abgedruckt wurde. Die Tatsache, das der Leserbrief vom PadAlz e.V. gezeichnet war, wurde nicht berücksichtigt.
Uns ist sehr wohl bewusst, dass es kein Recht auf den Abdruck eines Leserbriefes gibt.
Hier nun unsere komplette Antwort auf den Kommentar von AMELIE FÖRSTER.
Leserbrief zum Kommentar von Amelie Förster / NW:
„Mehr Einsatz für die Zukunft“
(NW; Paderborn/Bielefeld)
Es ist immer wieder erstaunlich wie schnell Menschen in ihren Urteilen über andere Menschen generalisieren, und bereit sind deren Privatsphäre für vermeintliche Lösungen zu opfern. So leider auch geschehen im Kommentar Ihrer Zeitung zur Kinderarmut.
Schön wäre gewesen, wenn sich ihre Autorin Amelie Förster zuvor selbst ein Bild von der Situation der Betroffenen gemacht hätte. Wir beraten im PadAlz e.V. (Paderborner Arbeitslosenzentrum) jährlich tausende, die im Alimentierungssystem Hartz IV überleben müssen. Darunter auch viele alleinerziehende Mütter und Väter. Dabei machen wir ganz andere Erfahrungen, als die, die Frau Förster hier augenscheinlich verinnerlicht hat.
Es sind angeschlagenen Existenzen, die engagiert um das Recht ihrer Kinder auf Bildung und Teilhabe kämpfen. Was hier immer so schön unter diesen Begrifflichkeiten unters Volk gebracht wird, hat oft wenig mit der Realität zu tun. Es ist beileibe kein Paket, das den Eltern, Müttern oder Vätern selbstverständlich angeboten wird. Die Betroffenen müssen erst einmal wissen wo es welche Hilfen gibt, und da fängt schon der Mangel an. Wenn sie dann erfahren wo welche Unterstützung erfragbar ist, reichen die für den speziellen Fall zu erwartenden Hilfen oft nicht für die geforderten Anschaffungen aus. Etwa ein Laptop, das immer häufiger von Schulen als Lehrmaterial gefordert wird. Das hat ihre Autorin zumindest in Teilen erkannt.
Warum sie dann allerdings die niedrigste Schublade öffnet, und das Bild einer Familie Flodder als Hartz IV Model ins Spiel bringt, ist uns völlig schleierhaft. Hier stößt ihre Autorin auf einmal in dass Selbe Horn wie Rechtsverschärfer in der Politik, die für das Auskunftsrecht Dritter über Erwerbslose zum Zwecke der Bekämpfung des 'Sozialmissbrauchs' stehen. Wie viele Eltern leiten denn das Geld nicht an ihre Kinder weiter?
Unsere Fragestellungen sind aufgrund der zu vernachlässigenden Zahlen zu dieser Frage, ganz andere Fragen:
Etwa: Wie viele Eltern oder Alleinerziehende knapsen sich die benötigten Gelder für ihre Kinder von ihrem eigenen Regelsatz ab? Wie viele Erziehungsberechtigte verschulden sich, um allein den geforderten Dresscode an den Schulen unter den Kindern erfüllen zu können? Und schließlich, Frau Förster: Wissen sie, wie viele Kinder in vermögenden Haushalten vernachlässigt werden?
Aber das sind ja Fragen, die schnell mit Begriffen wie Neid abgetan werden. Die eigene Missgunst ausblendend, toppt Frau Förster ihre nebulösen Anspielungen dann mit einem völlig entwürdigenden Gedankenspiel. Es müsse eine neue „Instanz her“, um den „vermutlich überforderten Eltern die richtige Richtung“ zu zeigen.
Holla, da sind aber dann echt die Pferde durchgegangen.
Und das alles auf Ehrenamtsbasis? Wenn Frau Förster gerade die Flüchtlingshilfe als Paradebeispiel anführt, verweist sie letztlich auf eines der umfassendsten Versagen des Staates. Wie überhaupt in den letzten Jahren immer häufiger nach Ehrenamt für Arbeiten gerufen wird, die wie wir glaubten, über die Steuer als staatliche Aufgaben vereinbart zu haben.
Im Zweifel würden wir erst einmal die Jugendämter in der Pflicht sehen, wenn denn wirklich einmal eine Familie sich in einem von Frau Förster angenommenen Zustand befindet.
Gezeichnet
Paderborner Arbeitslosenzentrum e.V.