Auf 18 Seiten kommt das 10. SGB II-Änderungsgesetz, auch Teilhabechancengesetz genannt. Da streikt selbst die Rechtschreibung. Eine Wortschöpfung, die mir den berühmten Ausspruch „Dies ist ein guter Tag für die Arbeitslosen in Deutschland“ eines Peter Hartz im Jahr 2002 in Erinnerung bringt. Denn wo Chancen sind, finden sich oft auch Risiken, wie uns die Geschichte lehrt.
Zumal die Erfahrungen aus Hartz 4 zeigen, wie selbst positive Formulierungen in der Praxis in ihr Gegenteil verkehrt werden. Schlimmer ist aber die Einseitigkeit der Ausrichtung aller angedachten Maßnahmen im beschlossenen 10. SGB II Änderungsgesetz. Die Sozialdemokraten schreiben hier Hartz 4 ganz klar fort. All die schönen Worte von Hubertus Heil bei Lanz und Co. sind nach diesem Entwurf keinen Pfifferling mehr wert.
Nicht mit einem Wort wird das Leid der Betroffenen berücksichtigt.
- Was ist mit der durch Hartz 4 verursachten Verschuldung der Privathaushalte?
- Was mit den Entwurzelten aufgrund unmenschlicher Praktiken in der Mietkostenbezuschussung?
- Was mit den Erkrankugen durch herrschende Hartz 4-Praxis im Umgang mit den Betroffenen?
Kein Wort von all dem also im 10. SGB II Änderungsgesetz mit dem schönen Titel „Teilhabechancengesetz“. Dieser Titel ist genauso verlogen wie die damalige Aussage von Peter Hartz zum Hartz 4 Gesetzentwurf. Denn: was in den erneuten SGB II Änderungen festgeschrieben ist, lässt wenig Gutes für die Betroffenen erwarten. So steht dort zu lesen:
In § 404 Absatz 2 Nummer 5 werden die Wörter „nicht richtig“ durch die Wörter „nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig“ ersetzt.
Das ist eine klare Verschärfung des Sanktionskatalogs. Auch das wird im weiteren Verlauf des 10.ÄndG offen kommuniziert:
Durch die Änderung in § 404 Drittes Buch Sozialgesetzbuch entsteht für die Verwaltung durch eine ansteigende Zahl von Ordnungswidrigkeitsverfahren ein zusätzlicher Erfüllungsaufwand in Höhe von rund 40 000 Euro jährlich. Dem stehen zusätzliche Einnahmen durch Bußgelder in nicht bezifferbarer Höhe gegenüber.
Aber es geht noch weiter.
§ 22 Absatz 4 Satz 1 Mindestlohngesetz gilt nicht für Arbeitsverhältnisse, für die der Arbeitgeber einen Zuschuss nach Absatz 1 erhält.
Hier ist also schon zu erwarten, dass die Betroffenen über Monate kein Auskommen mit dem
Einkommen haben werden. Denn der Mindestlohn ist auf Monate nicht garantiert.
Als besonderes Bonbon gibt es schließlich noch dieses obendrauf:
Wie bei Arbeitsverhältnissen, die nach § 16e bisheriger wie auch neuer Fassung gefördert werden, stellt der Ausschluss von der Versicherungspflicht zur Arbeitsförderung (Arbeitslosenversicherung) für nach § 16i Zweites Buch Sozialgesetzbuch geförderte
Arbeitsverhältnisse sicher, dass durch die aus Mitteln der Grundsicherung für Arbeitsuchende geförderten Arbeitsverhältnisse
keine Arbeitslosengeldansprüche erworben werden können.[…]Bestünde die Möglichkeit solche aufzubauen, könnte dies zu Fehlanreizen bei der Aufnahme der geförderten Beschäftigung führen.
Somit ist eines durch das neue Gesetzt garantiert: Wer Opfer ist und bleibt. Wer von Firmen am Fördertrog Dank vorhandener Fehlanreize ausgenutzt wird, wer nicht
durchhält oder aber am Ende der Förderzeit eben nicht den Sprung ins echte Arbeitsleben schafft, der fällt tief.
Im Zweifel sogar unter seine Ausgangssituation.
Sicher lässt sich im Gesetzentwurf noch mehr finden. Hier der Link: 10.SGB II ÄndG
Autor: O. Mittelstädt